Jeder kennt ihn, die meisten können ihn sogar mitsingen. Die Rede ist von „Pokerface“, dem Ohrwurm der Kultblondine Lady Gaga. Das Thema verrät die Sängerin doch schon bei den ersten Tönen, oder? Tatsächlich ist es hier alles ein wenig anders, als es scheint. Poker diente der Sängerin nur als eine Metapher für ganz andere Themen.
Heute, wo wir überall in Österreich legal spielen und wetten können, wächst das Interesse an glücksspielgeprägten Songs. Sie passen als Sounduntermalung und bringen die richtige Stimmung. Obwohl Gaga’s Botschaft eine ganz andere war, lieben Pokerspieler den Sound. Schauen wir uns an, was die blonde Künstlerin wirklich ausdrücken wollte.
Welchen Einfluss Musik auf uns hat, ist fast immer eine Frage der Interpretation. Wir hören einen Text, machen uns einen eigenen Eindruck und verbinden ihn manchmal sogar mit der eigenen Vergangenheit. So kann es passieren, dass ein bestimmtes Lied bei einem Hörer Tränen auslöst, dem nächsten aber ein Glücksgefühl beschert. Eine ganz andere Seite ist jedoch das, was der Interpret eigentlich ausdrücken wollte.
Nicht selten kommt es vor, dass Sängerinnen wie Lady Gaga selbst ein ganz eigenes Thema mit einem Hit verarbeiten, so auch bei Pokerface. Verabschieden wir uns vom Glücksspiel und tauchen ein in die Welt der Sexualität. Auf den ersten Blick zwei völlig unterschiedliche Welten, auf den zweiten Blick gibt es aber einige Übereinstimmungen. Sowohl beim Spiel als auch beim Sex wird der Körper von Endorphinen durchflutet, die zu Emotionen führen.
Letztere lassen sich an der Mimik ablesen, wenn wir kein Pokerface haben. Der Gambler am Tisch möchte seine Mitspieler hinters Licht führen, indem er seine mimische Maske aufsetzt und keine Gefühle zeigt. Ähnlich ging es Lady Gaga, die ihre Sexualität hinter einer Fassade verbergen wollte. In einem Interview berichtete sie davon, dass das zentrale Thema von Pokerface „Sex“ sei und insbesondere ihre eigene Bisexualität im Vordergrund stehe.
Sie gab an, dass die Songzeile „bluffin with my Muffin“ nichts mit dem typischen Bluff am Pokertisch zu tun habe, sondern sich auf ihr Geschlecht beziehe. So soll der Muffin als Synonym für ihr weibliches Geschlechtsteil stehen, mit dem sie regelmäßig andere Menschen „hinters Licht“ führt. Interpretationen gehen dahin, dass Lady Gaga ihre Bisexualität hinter einem Pokerface versteckt und dieses Lied als eine Art indirektes Outing nutzt.
In der Musikszene hat sich Lady Gaga längst als eine Ikone erwiesen, die mit ihren Songs immer eine ganz besondere Nachricht an ihre Fans schicken möchte. Poker Face ist heute ein Sinnbild der offenen Sexualität und Akzeptanz geworden, der Hit ist in der LGBTQ-Szene zu einer Hymne für Toleranz geworden. Tatsächlich ist Poker Face nicht der einzige Song, in dem sich Lady Gaga ihren Fans öffnet und einen tiefen Einblick gewährt.
So berichtete ihre Mutter davon, dass die hübsche Blondine als Kind und Jugendliche unter Hänseleien und Mobbing zu leiden hatte, sich nirgendwo zugehörig fühlte. Diesen Kummer nahm sie zum Anlass, Songs zu schreiben. Born this Way ist beispielsweise einer ihrer Klassiker, wenn es darum geht, emotionale Verletzungen zu verarbeiten.
Immer wieder gab es Gespräche dahingehend, dass Poker Face nur aufgrund des starken Videos internationale Aufmerksamkeit erlangt hatte. Tatsächlich ist die von Ray Kay eingefangene Darstellung ein Highlight, denn sie visualisiert die Zweideutigkeit, die in dem Kulthit steckt. Gaga spielt dabei die Hauptrolle und fasziniert in verschiedensten Outfits, die den Stil der Sängerin repräsentieren.
Ihre Mimik macht ohne weitere Rückfragen klar, wie ein Poker Face aussehen muss. Während des gesamten Clips tanzt Lady Gaga immer wieder aufreizend, um nicht zu sagen erotisch. Ihre Tanzpartner sind weiblich und männlich, was wiederum für die Symbolik ihrer Bisexualität steht.
Der Gedanke an das Glücksspiel wird jedoch spätestens mit dem Videoclip ebenfalls wieder laut, denn entsprechende Symbole sind in großer Zahl vorhanden. Würfel, Karten, Chips – das Equipment am Set reicht aus, um damit ein stundenlanges Pokerturnier zu veranstalten. Es ist also gar nicht so ungewöhnlich, dass in Anbetracht des Namens und der Ausstattung im Video eine Hymne für das Pokerspiel vermutet wurde.
Die Neuveröffentlichung eines Songs ist für Interpreten immer ein Spiel mit dem Glück. Niemand garantiert, dass die Fans diesen Hit wirklich hören möchten und so mancher Sänger musste schon einen Flop hinnehmen. Poker Face gehörte für Lady Gaga eindeutig nicht dazu, der Hit verhalf ihr international zu mehr Aufmerksamkeit und Beliebtheit.
Im Jahr 2008 veröffentlicht und schon zwei Jahre später hielt die Pop-Ikone bereits den Grammy Award dafür in der Hand. Ein Blick auf die Chartplatzierungen zeigt, wie eindeutig der Erfolg wirklich war. In Österreich schoss der Hit direkt auf Platz eins und konnte sich insgesamt 60 Wochen in den Charts halten. Bei den deutschen Nachbarn war die Chartdauer mit 77 Wochen noch länger.
Am längsten blieb Poker Face bei den Briten in der Hitparade, erst nach 84 Wochen war der Song wieder aus den Charts verschwunden. Auch im Hinblick auf die internationalen Auszeichnungen für ihre Musikverkäufe durfte sich Lady Gaga freuen. Insgesamt räumte Poker Face einmal Gold, 43 x Platin und sogar einmal Diamant ab.
Ob ihr in Anbetracht dieser Zahlen noch immer ein mimikloser Gesichtsausdruck gelang, ist mehr als fraglich. Immerhin ist der Hit der Künstlerin ihr erfolgreichster Titel gewesen und die zahlreichen Awards sprechen ihre ganz eigene Sprache.
Eine internationale Künstlerin wie Lady Gaga braucht Inspiration, um einen Song zu schreiben und auf den Markt zu bringen. Sie möchte ihre Fans begeistern und dazu anregen, ihre ganz eigene Interpretation zu zaubern. Es ist untypisch für große Künstler, dass sie dem Publikum die Denkrichtung vorgeben.
Und obwohl Gaga im Interview klar von ihrer Bisexualität sprach und auch die Bedeutung von Poker Face dahingehend geht, wünscht sie sich immer noch die Fantasie ihrer Zuhörer. Letztlich ist Poker Face ein Song, der für jeden Fan eine ganz eigene Bedeutung haben kann und darf.